Elisabeth Schwind
Von Singenden Flammen und pfeifenden Möbeln





Erst im Zeitalter der Elektronik und der Digitaltechnik stieg die Klangkunst zu einem eigenen, anerkannten Genre innerhalb des Kunstgeschehens auf. Umso bemerkenswerter ist darin die Position von Andreas Oldörp, dessen Schaffen die natürlichen Klänge in den Mittelpunkt stellt.
Der Hamburger Klangkünstler legt großen Wert darauf, ohne synthetisch erzeugte oder vorproduzierte Klänge zu arbeiten egal ob im Außen- oder Innenraum, in einer Industrieruine, einer Kirche, einer Villa, einem Museum - oder einem Tal in der sauerländischen Berglandschaft. Für die Klangerzeugung greift er u.a. auf die jahrhundertealten Erkenntnisse des Orgelbaus zurück und entwickelt sie weiter, indem er Orgelpfeifen aus ihrem konventionellen Rahmen löst und in immer wieder neue Zusammenhänge stellt.
Dabei hat auch Oldörp mit synthetischen Klängen, mit Sinustönen begonnen. Allerdings ist er nicht dort stehen geblieben. Sinustöne, jene hörbar gewordene Theorie des reinen Tons ohne Obertonspektrum, werden mit speziellen Sinustongeneratoren erzeugt. Insbesondere die frühen Minimalisten der sechziger und siebziger Jahre schätzten sie als neutrales, von den Intentionen eines künstlerischen Subjekts gereinigtes Material, das gerade aufgrund seiner Absichtslosigkeit dem subjektiven Erleben neuen Raum gab. Es war die Zeit, in der man die Musik irgendwo zwischen objektiver physikalischer Versuchsanordnung und subjektiver Selbsterfahrung ansiedelte. Und es war die Zeit der Entdeckung der Langsamkeit: "Heute staune ich über unsere Gelassenheit. Niemand und keine Institution brachte uns dazu, unsere Musik zu beschleunigen. Wir liebten reine Töne und wir hörten ihnen zu, lange und egal, was passierte", schreibt etwa David Behrman im Rückblick auf die siebziger Jahre. Tatsächlich war diese Ruhe und der offenbar unendliche Vorrat an Zeit ein Charakteristikum des frühen Minimalismus. Als Rückzugsort in einer immer schneller und lauter werdenden Welt hat ein solches künstlerisches Konzept nach wie vor seine Bedeutung. Auch für Andreas Oldörp: "Ich verbringe unglaublich viel Zeit nur mit Klängen - ohne jede Absicht. Ich hatte mal ein Atelier in einem Bunker, da gab es nicht einmal Licht, da gab es auch keine Zeit. Ich bin manchmal erst morgens um vier da heraus gekommen und hatte es nicht einmal gemerkt. Man gleitet da in ein ganz anderes Zeitempfinden."

In den frühen Jahren des Minimalismus verfolgte niemand die Idee einer stunden-, tage-, wochenlangen, ja virtuell ins Unendliche reichenden Musik konsequenter als La Monte Young. Hatte er mit seiner berühmt gewordenen "Composition No. 7" - sie umfasst nicht mehr als einen Quintklang, unter den die Worte notiert sind: "to be held for a long time" - die Quintessenz seines Komponierens bereits in ein Konzept gefasst, so ließ er sie zusammen mit seiner Frau, der Lichtkünstlerin Marian Zazeela, in den so genannten "Dream Houses" Wirklichkeit werden: Hier installierte Young unterschiedliche Sinuston-Intervalle, die wochen-, monate-, sogar jahrelang liefen. Zazeela entwarf mit dem Medium Licht Analogien zu den Sinustonfrequenzen. La Monte Young erklärte dazu: "Insbesondere versuchte ich, die Wirkungen dieser Intervalle zu untersuchen und generell ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es ist, mit ihnen zu leben und zu schlafen.
[...] Mit ihrer Hilfe versetzten wir uns in einen meditativen, körperlosen Zustand. Auch begannen wir, zu diesen Intervallen zu singen." Nicht als "Klang-", sondern als "Zeitinstallationen" bezeichneten La Monte Young und Marian Zazeela ihre Environments, genauer: als "Zeitinstallationen, die mit kontinuierlichen Klang- und Lichtfrequenzen gemessen werden."

Auch in Andreas Oldörps erster Arbeit ging es um eine Analogie zwischen Licht- und Klangwellen, die ja beide in Hertz gemessen werden. Oldörp setzte dort an, wo La Monte Young aufhörte. Während seines Studiums der Bildenden Kunst in Hamburg entwickelte er zusammen mit Henning Christiansen, Professor für Multimedia in Hamburg, immer wieder gemeinsame Live-Perfomances und entdeckte dabei seine Affinität zum Klang. In einer ersten eigenen Performance wollte Oldörp sodann Lichtwellenlängen in den hörbaren Bereich übertragen. Streicht man die Potenz derjenigen Hertzzahlen weg, mit denen Farben wie rot, gelb und blau beschrieben werden, erhält man Hertzzahlen wie 42, 56 und 63 und damit Frequenzen, die im hörbaren Bereich liegen. Diese erzeugte Oldörp mit Hilfe von Sinustongeneratoren und kombinierte sie in der Performance mit Pigmenthaufen. Der Zusammenhang zwischen Licht und Klang war - genauso wie bei La Monte Young und Marian Zazeela - kein zwingender, sondern ein mehr oder weniger willkürlich konstruierter.

Das "missing link" zwischen den beiden Medien sollte Oldörp erst zwei Jahre darauf in einem anderen Zusammenhang finden. Doch davon später mehr.
Zunächst war diese erste Performance ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin: "Bereits während der Aufbauarbeiten entdeckte ich, dass die drei Töne im Raum eine deutliche und vielfältige Klanglandschaft entstehen ließen. Je nach dem, wie man sich im Raum bewegte, konnte man Punkte aufspüren, in denen man fast gar nichts hörte oder Punkte mit sehr dichten oder interferierenden Klangfeldern. Das war meine Entdeckung der räumlichen Strukturierung durch Klang. Das habe ich eine Zeit lang noch mit Sinusklängen weiter recherchiert, bis mir die Klangqualität der Sinustöne nicht mehr ausreichte - letztlich sind es doch ganz schlichte Wellen und eher technische Größen."
Statt dessen suchte Oldörp nach einem natürlich erzeugten Klangmaterial, das aber, wie die Sinustöne, gleichmäßig und kontinuierlich im Raum vorhanden sein konnte. Also fixierte Oldörp versuchsweise die Taste einer Orgel mit Kreppband und ging in der Kirche spazieren. Der Schritt hin zur Orgelpfeife war getan.

Oldörps Klangsetzungen zeichnen sich meist durch eine geradezu höfliche Zurückhaltung aus. Das gilt für ihre akustische wie optische Erscheinung. So wie sich die Pfeifen im Außenbereich in die jeweilige Umgebung einpassen - erst auf den zweiten Blick erkennt man in der technischen Anmutung der Installation auch das Spiel mit dem Kontrast zur Natur -, so drängen sie sich auch im Innenbereich niemals in den Vordergrund.
Mit äußerster Sensibilität findet sich Oldörp in die jeweiligen Architekturen ein und zeichnet ihre Linien mit seinen filigranen Pfeifengebilden nach, akzentuiert vorhandene Strukturen und Atmosphären mit zurückhaltenden, genau auf den Raum abgestimmten Skulpturen. Anders als es bei der herkömmlichen Orgel der Fall ist, versammelt Oldörp seine Pfeifen nicht unbedingt an einem einzigen Ort im Raum, sondern setzt sie auf Glas- oder Kupferleitungen, die einen Raum in seiner ganzen Breite, Tiefe oder Höhe durchziehen können. So werden die Pfeifen auf den Raum verteilt, um im Zusammenspiel mit ihm eine akustische Architektur aus heterogenen Klangfeldern aufzubauen. Durch die vielfachen Reflexionen der unterschiedlichen Frequenzen an Wänden und Decken entsteht ein dreidimensionales Klangmuster, dessen Vielgestaltigkeit nur zu erfahren ist, wenn man sich in dem Raum bewegt. Dadurch wird der Hörer zum aktiven Mitgestalter des musikalischen Ablaufs. Oldörp selbst sieht seine Aufgabe darin, den Klang wie eine Skulptur in den Raum hinein zu setzen: "... doch erfüllt sich meine Arbeit erst dann, wenn sie durch den Hörer wieder verzeitlicht wird".

Nach der Maxime "Musik entsteht im Ohr" hatte bereits John Cage den Hörer zum unverzichtbaren Bestandteil der Komposition gekürt. Und nirgends tat er das so konsequent wie in seinem Schweigestücks 4'33". Es besteht nur aus Stille, genauer gesagt den Umgebungsgeräuschen, die sich während der "Aufführung" darin abspielen. Und es scheint, als habe Cage, indem er alle Klänge und Geräusche zum musikalischen Material erklärte, eine Bewegung des intensiven Hinhörens initiiert, die heute in das Genre der Klanginstallation mündet. Freilich betreibt dabei kaum ein Künstler die Selbstentmachtung so radikal wie John Cage es tat. Einem Morton Feldman ging sie schon damals zu weit: "Ich kann mir schlicht und einfach nicht vorstellen, dass eine Göre vor meiner Nase ein Kofferradio anstellt, und ich sage, Ah! Die Umwelt!"

Dennoch spielt der Rückzug des künstlerischen Subjekts bis heute eine große Rolle - auch für Andreas Oldörp: "Die Hybris besitze ich einfach nicht, zu glauben, meine persönliche Geschichte könnte ausreichend interessant sein für andere." Schon während seines Studiums der Bildenden Kunst störten ihn all jene ästhetischen Ansätze, die letztlich darauf angelegt sind, jemanden am eigenen Seelenleben teilhaben zu lassen. Wie aber kommt es dann, dass seine Arbeiten sehr wohl eine persönliche Note, eine unverkennbare Handschrift besitzen? Wo endet der Wunsch nach Neutralität? "Für mich ist es am einfachsten, das mit einem Bild zu beschreiben: Mein Bruder hat einen schönen Garten. An einer bestimmten Stelle stehen Bänke und Stühle. Insgesamt handelt es sich also um gestaltete Natur und darin wurde wiederum eine Akzentuierung vorgenommen. Natürlich ist war es seine persönliche Setzung, genau dort einen Stuhl hinzustellen. Wer sich aber nun darein setzt und sich im Garten umschaut, schlüpft zwar nicht in die Haut meines Bruders und sieht, was er sieht, aber er übernimmt diesen Ausblick als Ausgangspunkt für sein eigenes Erleben. Ähnlich verhält es sich mit der Klangarchitektur, die ich erarbeite. Ich gehe in einen Raum wie ein Seismograf, versuche seine Vibrationen und Gehalte aufzunehmen und eine Stimmigkeit herzustellen zwischen dem Raum, seiner spürbaren Geschichte, seiner Funktion, den Klängen die ich hineinsetze und dem Bild das die Klangsetzung ergibt. Ist das getan, dann ziehe ich mich aus der Arbeit zurück und übergebe sie wie ein Instrument demjenigen, der darauf spielen möchte."

Oldörps Arbeit ähnelt der eines Orgelbauers, der mit Holz und Metall, Mechanik, Elektrik und der feinstofflichen Qualität des Klangs so umgehen können muss, dass er seinem Instrument Individualität und Qualität verleiht. Und wie man weiß, gibt es verschieden berühmte Orgelbaumeister. "Trotzdem", so Oldörp, "ist das eigentliche Ereignis erst das Konzert des Organisten auf dem Instrument" - in Oldörps Installationen verwirklicht jeder Besucher mit jedem Schritt durch den Raum sein eigenes "Konzert".

Nicht nur der Rezipient, auch Wind, Wetter oder andere, nicht planbare Einflüsse können einen aktiven Part in Oldörps Arbeiten übernehmen. Häufig nämlich setzt Oldörp die Pfeifen auf so wenig Wind, dass sie gerade zu klingen beginnen, der Ton aber für Einflüsse von außen empfänglich bleibt. So kann etwa ein Windzug in das Spiel eingreifen, die Pfeifen für einen Moment zum Schweigen bringen oder auf ihre Obertöne schicken. Das spielt insbesondere für die Arbeiten im Außenbereich eine Rolle. Aber auch in anderen Arbeiten ist der Zufall als gestaltendes Prinzip mit einkalkuliert. So hat Oldörp Arbeiten entwickelt, die mit Wasserdampf funktionieren: In einem Glaskolben wird Wasser zum Kochen gebracht. Der dadurch entstehende Wasserdampf entweicht über ein Ventil in zwei verschiedene Schläuche, auf denen wiederum Orgelpfeifen stecken, die durch den Wasserdampf angeblasen werden. Da der Dampf in den Schläuchen wieder kondensiert und als Wasser zurückfließt, bildet er für den neu nachdrängenden Wasserdampf eine Art Verschluss, der sich erst öffnet, sobald sich ein genügend großer Druck von unten aufgebaut hat. Und immer da, wo der geringste Gegendruck besteht, geht der nächste Impuls hin. So entweicht der Wasserdampf mal zur einen, mal zur anderen Seite, und zwar in solcher Geschwindigkeit, dass die beiden Pfeifen bald in ein munteres Zwitschergespräch vertieft sind. Dass sie zwitschern werden, ist Oldörps Werk - wie ihr Gespräch jedoch verlaufen wird, überläßt er dem Zufall, wobei Faktoren wie Außentemperatur oder Luftbewegungen durchaus eine Rolle spielen.

Ob Zwitschern oder konstante Klänge - ein wichtiger Aspekt für Oldörp ist stets, dass seine Arbeiten keine narrative Struktur besitzen. Da kommen ihm diese zufallsgesteuerten Klangfolgen sehr entgegen. "Das meiste, was dich unterhält, ist auch gesprächig, allerdings nicht immer informativ. Selbst Hintergrundsmusik hat eine erzählerische Struktur. Aber weil Hintergrundsmusik zum Hinhören nicht gemacht ist, sind ihre Inhalte besonders simpel. Meine Arbeit geht genau in die Gegenrichtung: Nicht noch mehr Signal, nicht noch mehr Ansprache, nicht noch mehr Zudringlichkeiten von außen. Stattdessen geht es mir um das Gefühl, Räumen zu begegnen, in denen man einen Grund hat zu bleiben."

Man könnte an Erik Satie denken, der einst die provokative Frage stellte: "Was ziehen Sie vor: Musik oder Wurstwaren?" Auch er wandte sich gegen jene Musik, die mit dem Ziel verflacht wird, sie für die Begleitung zum Bier oder zur Anprobe einer Hose geeignet zu machen: "Es herrscht die Gewohnheit, bei Gelegenheiten Musik zu machen, wo Musik nichts zu suchen hat. Da spielt man Walzer, Opern-Phantasien und ähnliches zu anderem Zweck Geschriebenes." Saties Antwort auf diese Unsitte war der Entwurf einer "Musique d'ameublement", die er in ironischer Zuspitzung folgendermaßen beschrieb: "Wir möchten nun eine Musik einführen, die die "nützlichen" Bedürfnisse befriedigt. Die "Musique d'ameublement" erzeugt Schwingung, sie hat keinen anderen Zweck; sie erfüllt dieselbe Rolle wie das Licht, die Wärme und der Komfort in jeder Form. Wer nie "Musique d'ameublement" gehört hat, kennt das Glück nicht. Ihr Schlaf wird schlecht sein, wenn Sie nicht vor dem Einschlafen etwas "Musique d'ameublement" gehört haben." In wiederum ironischem Rückgriff hat nun Oldörp Satie beim Wort genommen und dessen "Möbelmusik" in einigen Arbeiten Gestalt annehmen lassen. Ein klingender Spind und ein mit kleinen Orgelpfeifen bestücktes Nachtschränkchen gehören zu Oldörps "Klangmöbeln". Satie ist freilich nur ein Aspekt, den diese Objekte aufrufen. Denn Oldörp geht es um das freie Spiel mit Assoziationen, die durch bestimmte Bilder oder Klänge freigesetzt werden - und dadurch, dass die Gegenstände ihrer ursprünglichen Funktion beraubt und in einen neuen Zusammenhang gestellt werden. Der Spind und das Nachtschränkchen sind einfache Stücke aus unserer Alltagskultur, mit allen Spuren ihres Gebrauchs. So erscheinen sie dem Betrachter zunächst einmal vertraut. Versehen mit leisen, zum Teil widerborstigen Klängen entstehen andere Eindrücke und Empfindungen, die sich mit dem Klang verbinden. Die dadurch entstehende Reibung öffnet einen assoziativen Freiraum, den zu füllen der Rezipient aufgerufen ist. Denn auch hier geht es Oldörp darum, "etwas rauszuholen bei dem Betrachter und Zuhörer. Er muss sich selbst mit einbringen."

Passend zum Credo der 'natürlichen' Klänge sind die Grundelemente Luft, Wasser und Feuer die Medien, mit deren Hilfe Oldörp seine Kunst zum Klingen bringt: mit Luft nach dem Prinzip der Orgel und mit Wasserdampf nach dem Prinzip des Teekessels. Spektakulär wird es, wo das Feuer seinen Auftritt hat: bei den Singenden Flammen. Für seine seltenen Performances etwa, die Oldörp zusammen mit einem Cellisten gestaltet, hat er ein transportables Instrument geschaffen, das sich als "Wasserstofforgel" bezeichnen ließe - ein filigranes Gebilde aus Glasröhren unterschiedlicher Länge. In jeder dieser Röhren brennt eine Singende Flamme und ein Teil des Aufführungsrituals besteht darin, diese hörbar werden zu lassen. Gespeist werden die Flammen über einen Brenner mit Wasserstoff. Nacheinander zündet Oldörp jede einzelne der Flammen und stülpt ihnen eine Glasröhre über. Die Flamme bringt die in Glas gefasste Luftsäule zum Schwingen - es entsteht ein Ton. Und mit jeder nächsten Flamme ein weiterer Ton. So baut sich nach und nach ein Klang auf, in den sich nun der Cellist mit seinem Instrument einfindet.

Die Funktionsweise der Singenden Flammen ist theoretisch leicht nachvollziehbar. In der Praxis waren dennoch langwierige Experimente vonnöten, bis Oldörp seine erste Flamme zum Singen brachte. Den Impuls erhielt er durch die Entdeckung des sogenannten Pyrophons, einer Feuerorgel, die mit dem Phänomen der Singenden Flammen arbeitet und von dem Elsässer Frédéric Kastner 1870 entwickelt wurde. Eines dieser damals gebauten Instrumente existiert noch, ist aber nicht mehr bespielbar, unter anderem deswegen nicht, weil es mit einem Gasgemisch - dem damals üblichen Stadtgas - betrieben wurde, das hochgiftig ist und heute nicht mehr hergestellt wird. Über die Beschäftigung mit Kastners Schriften und dem Hintergrund seiner technischen Entwicklung gelang es Oldörp jedoch, sich das Prinzip der Singenden Flammen wieder nutzbar zu machen. Da Kastner sein erstes Instrument mit Wasserstoff betrieben hatte, begann auch Oldörp zunächst, mit diesem Gas zu experimentieren. Es stellte sich allerdings heraus, dass Wasserstoff zwar einen intensiven Klang, jedoch fast kein Licht entwickelt. Oldörp aber war 1988 dabei eine Installation für seinen lichtlosen Bunker am Hamburger Hans-Albers-Platz zu entwickeln. Er machte infolgedessen Versuche mit kohlenstoffhaltigen Gasen und Gasgemischen - bis schließlich im November 1988 das erste Flammensystem zu klingen und zu leuchten begann. Heute arbeitet Oldörp mit unterschiedlichen Gasen wie Wasserstoff, Propan, Butan und Methan. Jedes besitzt, was Licht- und Klangentwicklung betrifft, individuelle Eigenheiten, die es je nach Erfordernissen einzusetzen gilt.

Die Parallele zu Oldörps Arbeiten mit Pfeifen besteht darin, dass auch die Singenden Flammen jeweils einen einzelnen, konstanten Klang entwickeln, der im Zusammenspiel mit dem Raum und mit weiteren Klängen eine Akustische Architektur entstehen lässt. Die Besonderheit der Singenden Flammen liegt jedoch darin, dass sie Licht und Klang gleichzeitig entwickeln. Damit ist das "missing link" zwischen Musik und Bildender Kunst gefunden. Denn hier handelt es sich weder ausschließlich um Klang- noch allein um Lichtkunst, aber auch nicht um eine willkürliche Zusammenfügung beider Bereiche. In Oldörps Werken stehen Licht und Klang ursächlich miteinander in Verbindung - das eine bringt das andere hervor. So haben wir es in den Klangskulpturen und -Installationen von Andreas Oldörp mit Gesamtkunstwerken zu tun, wie sie im Genre der zeitgenössischen Klangkunst selten sind.


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